Das Studium der zweibändigen Schulchronik der Friedrichssegener Schulen ab dem Bau der 1. Schule in der Wohnanlage Tagschacht, im Jahre 1870, zeigt, daß dieses Kapitel unseres Bergbaudorfes Friedrichssegen nicht in der allgemeinen Schilderung der sehr interessanten Geschichte von Friedrichssegen eingebunden werden sollte.
Diese Geschichte der Friedrichssegener Schulen ist von Anfang anmeine Besondere, die auch Wert ist besonders geschrieben zu werden.
Bedenkt man, dass die Kinder vor dem 4. Januar 1871 die Schule im Nachbardorf Frücht besuchen mußten, so war es sehr großzügig von der Gewerkschaft der Grube Friedrichssegen, daß sie für die Kinder ihrer Mitarbeiter im Grubengebiet Friedrichssegen, in den Ortsteilen Kölsch Loch und Tagschacht, in denen damals die meisten Mitarbeiter der Grube Friedrichssegen wohnten, (der Ortsteil Neue Welt bestand zu dieser Zeit noch nicht), eine werkseigene Privatschule errichtete. Diese Schule war zu dieser Zeit schon etwas Besonderes und schon für 2 Klassen vorgesehen.
Die Schullasten (Besoldung des Lehrers, Lehrmittel, Heizung und Instandhaltung) gingen zu Lasten der Gewerkschaft der Grube Friedrichssegen. Diese Verpflichtung ging die Verwaltung der Grube ein, weil die Stadt Oberlahnstein ihr für den Bau der Arbeiterwohnanlage Tagschacht des benötigte Land kostenlos zur Verfügung stellte.
Am 2. 10. 1869 erscheint im Lahnsteiner Anzeiger eine Notiz, wo nach die Grubengesellschaft mitteilt, daß sie für 1870 den Bau einer Schule plant. Ein Jahr später sind die Planungen abgeschlossen und man stellt am 6. 10. 1870 den erforderlichen Bauantrag. Die Hinweise hierzu sind den Akten der Privatschule an der Grube Friedrichssegen bei Oberlahnstein, Amt Braubach entnommen, die beim Hauptstaatsarchiv Wiesbaden unter Nr. 405 II, Nr. 13 776 aufbewahrt werden.
Unter dem Namen Berndenbach wird in einem Roman „Der Starke“ unser Bergbaudorf Friedrichssegen in den 1920er Jahren beschrieben. U.a. erzählt ein alter Lehrer über die Schule folgendes:
„Da war es anders als heute, sauber war es durch das ganze Tälchen, blitzsauber. Das Schulhaus stand damals gerade 2 Jahre. Für die Handvoll Kinder war es ein schöner, großer Bau. Ein Lesezimmer darin, Zeichensaal, Spielzimmer, und eine stattliche Bibliothek. Kein einziges minderwertiges Buch war darunter.
Und die Lehrmittel! In der achtklassigen Großstadtschule hatten wir das nicht. – Für die Mädchen war ein Handfertigkeitssaal mit einem Dutzend Maschinen da. Alles, was verarbeitet wurde, kaufte die Grubenverwaltung, und was die Kinder fertig gemacht hatten, das nahmen sie als ihr Eigentum mit nach Hause. Für die Buben waren 2 Werkstätten da, lange ehe von Arbeitsschulen überhaupt die Rede war. Wenn ich für die Schule einen Wunsch hatte, brauchte ich ihn nur auszusprechen.
– Übrigens: wir hatten auch einen Kindergarten dabei, 2 Pflegerinnen darin.“
Der Unterricht begann am 4. Januar 1871 mit Herrn Lehrer Eschenröder und 43 Schülern, wovon bis zum 1. April 1871 durch Wohnungswechsel der Eltern 3 Kinder ausschieden. Von den verbleibenden Kindern waren 4 katholisch und 36 evangelisch.
In der Folgezeit wechselten die Lehrer sehr oft, bis dann im Jahre 1887 Herr Lehrer Eckhardt an die Schule am Tagschacht der Grube Friedrichssegen berufen wurde. Im selben Jahr wurde eine Lehrgehilfenstelle an der Schule eingerichtet, die mit dem Lehrgehilfen Jakob Bruchhäuser besetzt wurde.
Die Schülerzahl war mittlerweile auf 126 Kinder angestiegen. Da der in der Schule eingerichtete Betsaal bis zu Vollendung der im Bau begriffenen Kapelle nicht als Lehrsaal benutzt werden soll, sobleibt die Schule einstweilen noch Halbtagsschule und findet der Unterricht der Oberklasse in den Vormittagsstunden, der der Unterklasse in den Nachmittagsstunden statt.
Die jährlichen Schulinspektionen durch die dafür eigens bestellten Pfarrer fanden regelmäßig und zur Zufriedenheit der Schulinspektoren und der Schulvorstände statt.
Nach den jährlichen Aktionärsversammlungen im Central-Büro der Grube besuchten die Aktionäre auch regelmäßig die Schule, die in den Ansprachen dann auch als „unsere Schule“ bezeichnet wurde.
Es war guter Brauch geworden, die besten Schülerinnen und Schüler durch die Grubenverwaltung zu beschenken. In der Regel wurden je 2 Uhren für die Knaben und Broschen mit dem Bergmannsemblem Hammer und Schlägel als Geschenke für die Mädchen überreicht.
Es ist auch schon eine Nähmaschine als Geschenk übergeben worden. Die jährlichen Schulwanderungen wurden zur großen Freude der Schulkinder regelmäßig von der Verwaltung der Gewerkschaft der Grube Friedrichssegen mit Geldbeträgen bezuschußt, für die dann Speisen und Getränke für die Schulkinder unterwegs gekauft wurden. Einmal mußten die Kinder der Grube Friedrichssegen noch einmal die Schule in Frücht besuchen, weil nämlich durch die Versetzung des Lehrers Wüst die Lehrerstelle der Schule am Tagschacht von Anfang April 1877 bis zum 25. Juni 1877 unbesetzt war. Die Schule ging dann weiter mit dem neuen Lehrer Voye. Diesem Lehrer Voye wurde durch die Grubenverwaltung gekündigt, weil er sich wegen eines in einer Lahnsteiner Zeitung veröffentlichen Zeitungsberichtes, mit der Grubenleitung nicht mehr im Meinungsgleichglang befand. So kann man es aus der Schulchronik herauslesen. Aus anderen Unterlagen geht jedoch hervor, daß sich Lehrer Voye in Friedrichssegen wegen finanzieller Schwierigkeiten unmöglich gemacht hatte und mußte aus Friedrichssegen weg. Er wurde ab 1.09. 1879 nach Rod am Berg versetzt.
Der Schulinspektor, Pfarrer Wilhelmi, Braubach, nimmt Stellung bezgl. der von der Regierung angeregten Umwandlung der Schule Friedrichssegen in eine Communalschule. Dies ist sinnvoll vor dem Hintergrund, daß die Lehrer in Friedrichssegen ja im privaten Schuldienst sind und damit dort keine Pensionsrechte erwerben und auch nicht der Witwen- und Waisenkasse beitreten können.
Schon bezüglich der Einstellung des ersten Lehrers (Eschenröder) liegt in den Akten Schriftverkehr vor bzgl. der (dann auch zugesicherten) Wiedereinstellung in den Staatsdienst nach einer Zeit in Friedrichssegen. Vor dem Hintergrund der dort nicht zu erwerbenden Penionsrechte ist auch der Anfangs doch recht häufige Wechsel der Lehrer zu sehen.
Die Grubenverwaltung und die Stadt Oberlahnstein sind mit der Stellungnahme des Schulinspektors einverstanden, wobei die Grubenverwaltung zusichert, die Schule auch weiterhin zu unterhalten und behält sich das Recht vor, den Lehrer zu präsentieren und auch auszuwählen. Es hat sich also nicht viel geändert.
Am 30. September 1879 wird die Schule Friedrichssegen per Regierungsdekret von der Stadt Oberlahnstein übernommen. 1896 war die Schule wegen hier auftretender Diphteritis vom 28. Januar bis 10. Februar geschlossen.
In diesem Jahr erreichte die Schülerzahl 146. Diese Zahl wurde nie wieder erreicht. Um die Jahrhundertwende wurde die Schule am Tagschacht von 106 Kinder (davon 61 in der Oberklasse und 45 in der Unterklasse, Knaben 51, Mädchen 55, katholisch waren 45 evangelisch 61 Kinder) besucht.
Im Jahre 1912 waren nur noch 77 Kinder in der Schule. Davon waren in der 1. Klasse 28 Kinder davon 14 evangelisch (6 Knaben, 8 Mädchen) davon 14 katholisch (5 Knaben, 9 Mädchen) in der 2. Klasse 49 Kinder. davon 27 evangelisch (12 Knaben, 15 Mädchen) davon 22 katholisch (10 Knaben, 12 Mädchen).
In diesem Jahre konnten sowohl Lehrer Eckardt als auch Lehrer Bruchhäuser auf eine 25-jährige erfolgreiche Lehrtätigkeit an der Friedrichssegener Schule am Tagschacht zurückblicken.
Am 2. Mai 1912 schreibt das Lahnsteiner Tageblatt: Gestern beging Herr Lehrer Eckhardt von hier sein 25-jähriges Dienstjubiläum. Die zu Ehren des Jubilars vorgesehene kleine Feier erfolgt erst später, da Herr Eckhardt sich momentan wegen Krankheit auf Urlaub befindet. Kurz danach am 14. Mai 1912 kann man lesen: Nachdem vor einigen Tagen der 1. Lehrer der hiesigen Schule sein 25-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, kann am 15. Mai 1912 der 2. Lehrer, Herr J. Bruchhäuser ebenfalls auf eine 25-jährige Wirksamkeit an der hiesigen Schule zurückblicken. Eine entsprechende kleine Feier findet noch statt. Wir gratulieren.
Friedrichssegen, den 23. Mai 1912
Am 1. bzw. 15. Mai d. J. konnten die hiesigen beiden Herren Lehrer Eckhardt und Bruchhäuser auf eine 25-jährige Tättigkeit an unserer Volksschule zurückblicken. Anläßlich dieser Feier brachte der hiesige Gesangverein „Eintracht“ den beiden Jubilaren ein Ständchen nebst Fackelzug. Der Verein brachte einige Lieder recht klangvoll zu Gehör. Der Schriftführer des Vereins hielt eine kleine Ansprache und gedachte hierbei insbesondere der Anhänglichkeit zwischen den früheren und den jetzigen Schülern sowohl, wie auch sämtlichen Einwohnern Friedrichssegens zu den Herren Lehrern.
Herr Lehrer Eckhardt dankte auch in Namen seines Kollegen für die erwiesene Ehre und brachte in seiner weiteren Rede zum Ausdruck, daß seit 1870 an der bestehenden Schule bereits 6 Kollegen gewirkt hätten und es ihm und seinem jetzigen Kollegen vergönnt gewesen sei 25 Jahre ununterbrochen hier zu amtieren.
Nachdem auch Herr Lehrer Bruchhäuser noch einige Worte zu den Anwesenden gesprochen hatte, setzte sich der Zug wieder in Bewegung und marschierte nach dem Kasino „Glück auf“, wo man sich noch einige Stunden gemütlich beisammenfand.
Schon ein Jahr später, nach 26 Jahren verließ Herr Lehrer Bruchhäuser die Schule in Friedrichssegen. Er wurde nach Nied bei Frankfurt a. M. versetzt. Die 2. Lehrerstelle war aus bekannten Gründen aufgehoben worden. Die Elementarschule Friedrichssegen war am 14. August 1913 ein Tagesordnungspunkt der Stadtverortnetenversammlung Oberlahnstein.
Das Lahnsteiner Tageblatt schreibt aus dieser Versammlung:
3. Elementarschule Friedrichssegen
Die jetzt in Konkurs geratene Gesellschaft war verpflichtet, die Schule auf ihre Kosten zu unterhalten.Die Unterhaltung der Schule, die dem Schulverband Oberlahnstein angehört, liegt nun diesem ob.
Zur Zeit unterrichtet eine Lehrkraft etwa 40 Kinder, welche jedoch bei Auflösung der Schule genötigt wären, die nächstliegenden Volksschulen zu besuchen. Von nun an versah Herr Lehrer Eckhardt den Schulunterricht alleine.
Allerdings war die Schülerzahl 1913 auf 57 Kinder zurückgegangen. Die vorgeschilderte Zeit weißt sicherlich nichts bedeutendes auf, es sei denn, daß sich unsere Schule am Tagschacht glücklich schät- zen konnte, zwei so gute Pädagogen gehabt zu haben, die so lange zum Besten unseres Bergbaudorfes Friedrichssegen zusammenarbeiten konnten.
Dabei muß auch noch erwähnt werden, daß beide Herren sich auch außerhalb der Schule in vorbildlicher Weise im Vereinsleben ver-dient gemacht haben.
Erste Schwierigkeiten bei der Schule am Tagschacht brachte die Erteilung des Religionsunterrichtes für die katholischen Kinder. Durch den Weggang des Herrn Bruchäuser, der ja diesen Religionsunterricht bisher erteilte, mußte jetzt eine andere Lehrkraft hierfür eingesetzt werden.
Die Schulbehörde bestimmte hierzu einen Lehrer aus Oberlahnstein, Herrn Fackelmeyer.
In der Schulchronik steht dazu zu lesen: „Vorläufig wird der Religionsunterricht in einer leerstehenden, zur alten Gasanstalt, gehörenden Wohnung abgehalten.“
Hier kam man wohl dem Lehrer Fackelmeyer entgegen, damit er nicht den weiten Weg bis zur Schule am Tagschacht zurücklegen mußte. Aber dies war schon der Anfang der Schulmisere in Friedrichssegen. Die Bergwerks AG ging am 16. Juli 1913 in Konkurs. Dieser Umstand, der sich auch für die Schule, die Eigentum der Grube gewesen war, nachteilig auswirkte und der dann ausbrechende 1. Weltkrieg im Jahre 1914, brachten doch große Schwierigkeiten mit sich.
So litten vor allem die Kinder unter den kriegsbedingten Änderungen des normalen Lebens und Wohnens. Es gab damals die berüchtigten Rübenwinter, so genannt, weil oft außer Rüben wenig oder nichts zu Essen da war, die Bekleidung und auch besonders das Schuhwerk ließ viel zu wünschen übrig. Im Kriegsjahr 1916 gingen noch 39 Schüler hier zur Schule. Zur 5. Kriegsanleihe zeichneten diese Kinder 210 M.
Des öfteren fiel wegen Einquartierung von Soldaten die Schule aus. Im letzten Kriegsjahr (am 9. 02. 1918 ) übernahm die Stadt Oberlahnstein die Schule in Friedrichssegen. Diese war zwischenzeitlich im Wege des noch immer nicht abgeschlossenen Konkursverfahrens verkauft worden. Der Käufer machte aus der Schule eine Gastwirtschaft.
So sah sich die Stadt Oberlahnstein gezwungen, einen anderen Schulraum herzurichten.