Der Erbherr Friedrich Wilhelm – Aus der Ehe des Ernst Franz Ludwig Freiherr Marschall von Bieberstein und der Caroline geborene Freiin von Veltheim stammten sieben Töchter und vier Söhne. Der älteste Sohn, Friedrich Wilhelm, der automatisch Erbherr des Hahnstätter Gutes wurde, kam am 17. Dezember 1806 in Wiesbaden zur Welt. Wie später sein Bruder Ernst, studierte er, nach dem Abitur an der Karlsschule zu Wiesbaden, Rechtswissenschaften von 1823-1826 in Göttingen und ab 1827 bis 1830 in Berlin. Nach dem Examen in Berlin wurde Friedrich Wilhelm Amtsakzessist in Weilburg, dann Assessor bei der nassauischen Landesregierung und von 1835 bis 1842 wurde er bei der Domänenverwaltung eingesetzt. 1840 erfolgte die Ernennung zum Kammerherrn und 1842 zum Domänenrat, bevor er auf eigenen Wunsch einige Jahre später in den Ruhestand versetzt wurde. Er heiratete am 18. September 1834 die Tochter des Hzgl. nass. Staatsministers Friedrich Heinrich Freiherr von Dungern, Marie (1811-1859). Finanzielle Nöte waren wohl nicht mit der frühen Versetzung in den Ruhestand verbunden, da nach einer Urkunde (10) vom 28. Januar 1843 das Gehalt Friedrich Wilhelms nur 500 Gulden betrug (etwa 1/7 von dem, was sein Vater als Staatsminister verdiente). Haupteinnahmequelle waren der Holzverkauf und die Einnahmen aus dem Hahnstätter, Holzheimer und Oberneiser Hofgut. Als am 9. Oktober 1840 seine Mutter starb, siedelte Friedrich Wilhelm nach Hahnstätten um. Dort blieb er, bis er Anfang der 50er Jahre nach Weilburg zog, um seinen Söhnen Ernst, August und Rudolph eine ordentliche Gymnasialausbildung zu ermöglichen. Friedrich Wilhelm soll ein begeisterter Jäger gewesen sein, was auch aus einer Akte (11) aus dem Jahr 1844 hervorgeht. In der Akte wird berichtet, daß die Kaltenholzhäuser Bevölkerung sich am 28. November 1844 weigerte, als Treiber an der Jagd des Baron von Marschalls teilzunehmen und daraufhin jeder zu einer Strafe von 30 Kreuzern verurteilt wurde. Angeklagt wurden folgende Kaltenholzhäuser: »Leonard Bach der II. und III., Philipp Schmittel der II., Heinrich Heckelmann, Kölsche Wittwe Christian Müller, Flath, Georg Schmittel, Wilhelm Heymann, Heinrich Zimmermann, Phil. Wilhelm Fink, Ph. Schmittel der III., Gottfried Oppermann der III., Wilhelm Oppermanns Witwe, Joh. Chr. Heckelmann, Georg Wilhelm Bruchhäuser, Gg. Wilh. Heckelmann, Leonhard Oppermann der II., Wilhelm Oppermann der IV und Anton Schmittel der III«. Im Namen der Kaltenholzhäuser Bevölkerung protestierte Wilhelm Heckelmann gegen das Urteil und begründete die Verweigerung der Treibjagd damit, daß diese in dem Gelände »Gertesheck« stattfinden sollte und die »Witterung so außerordentlich schlecht und der Districkt so sehr dicht und buschig« gewesen sein soll. Weiter erklärte Heckelmann, daß die Verweigerung nichts mit dem Herrn von Marschall zu tun hätte, da dieser »den Treibleuten noch jedesmahl ein kleines Geschenk gegeben hätte« und daß er die »Denunciation« nicht verlangt hätte, sondern nur die Habsucht des Förster Klein.Wie vermögend die Familie von Marschall zu dieser Zeit noch war, beweist eine Tabelle, die auf der Limburger 48er Ausstellung 1998 gezeigt wurde. Im Falle einer Zehntablösung (Entschädigung in Höhe des zwölffachen Grundbetrages) hätten die von Marschalls 10356 Gulden erhalten. Damit waren im Herzogtum Nassau nur sechs Familien wie z.B. die von Ingelheim oder die Freiherren von Schütz vermögender als die von Marschalls.Nach dem Abitur seiner Söhne kehrte Friedrich Wilhelm nach Hahnstätten zurück und starb dort am 24. April 1860.
Die Marschall’schen Burgbesitzer bis zum Ende des 2. WeltkriegesNach dem Tod von Friedrich Wilhelm ging der Besitz als Majorat an den ältesten Sohn Ernst Freiherr M.v.B. über. Ernst wurde am 1. November 1837 in Wiesbaden geboren und besuchte zunächst das herzogliche Gymnasium in Hadamar und dann die weiterführende Schule in Weilburg. Er trat, sehr zum Leidwesen des Herzogs, in preußischen Militärdienst ein und heiratete am 15. November 1865 Katharina Grandpré-Molière (1843- 1878).Der Erbherr zu Hahnstätten wurde Kgl. Preußischer Hauptmann und Kompaniechef im Hessischen Jägerbataillon Nr. 11, welches in Marburg stationiert war. In diese Zeit fiel der erste große Verkauf von Ländereien, so wurden einige Hektar unfruchtbare Äcker Richtung Lohrheim an den Diezer Advokaten Johann Schäfer verkauft, der etwas später dort das Kalkwerk Schäfer gründete.Ernst von Marschall starb mit 33 Jahren am 13. August 1870 in Günstadt an den Folgen einer Verwundung, die er sich bei der Schlacht bei Wörth während des deutsch-französischen Krieges zugezogen hatte. Er hinterließ eine junge Frau und die vier Söhne Friedrich, Ernst August, August und Rudolph, die wenig später zu Vollwaisen wurden, da ihre Mutter 1878 in Bonn bei ihren Eltern starb.August und Rudolph wurden bei Tanten, Friedrich und Ernst August bei ihrem Onkel Rudolph untergebracht. Dieser schickte die beiden ältesten Söhne seines Bruders in das preußische Kadettencorps nach Berlin-Lichterfelde. Rudolph selbst zog mit seiner Frau Elisabeth und seinen Kindern in das Wasserschlößchen und verwaltete den Besitz für seinen Neffen Friedrich. Dieser und sein Bruder Ernst August blieben im preußischen Militärdienst, wurden Berufsoffiziere, bevor sie 1899 ihren Dienst quittierten und sich beide für einige Jahre Amerika zuwandten. Während Friedrich nach bewegten Wanderjahren nach Deutschland zurückkehrte, blieb Ernst August vorerst in Chicago, studierte Medizin und eröffnete eine Arztpraxis. Als Friedrich, der die Amerikanerin Elva Moorman 1907 geheiratet hatte, in die Heimat zurückkam und sein Erbe antrat, hatte sein Onkel Rudolph das Schlößchen zu räumen und zog nach Weilburg, wo er die Jugendstilvilla „Marschall“ errichtete.Friedrich ließ die Burg, in der außerdem noch das Forstamt und vier weitere Privatwohnungen untergebracht waren, umfassend renovieren. Dazu ließ er Leitungen für Strom und fließendes Wasser legen, richtete in der Burg ein Badezimmer ein und verschönerte den Park u.a. durch einen Springbrunnen. Unter Friedrich, der begeisterter Sänger und Unterstützer des MGV Hahnstätten gewesen sein soll, verkleinerte sich der Besitz weiter erheblich. Friedrich, Ritter des eisernen Kreuzes I. und II. Klasse, starb am 4. März 1945 in den letzten Tagen des ZweitenWeltkrieges. Für den Krieg hatte man aus Vorsicht im Schloßgarten einen Bunker errichtet, und schon kurz nach dem Tode Friedrichs rückten amerikanische Truppen des Generals Patton in Hahnstätten ein und nahmen das Schlößchen als Militärkommandantur in Beschlag. Daraufhin mußte die schwer krebskranke Witwe Elva die Burg räumen und konnte nur mit viel Mühe, über Beziehungen als ehemalige amerikanische Staatsbürgerin, den Abzug der Truppen erreichen.
Die Burg bis zum Verkauf 1969
Als 1946 Elva Freifrau M.v.B kinderlos starb, kam die Burg per Testament an den Neffen ihres Mannes, Wulf Ernst August. Wulf wurde am 21. Dezember 1923 in Kiel geboren und kam nach amerikanischer Gefangenschaft nach Hahnstätten. Er lebte dort anfangs zusammen mit seinem Vater Ernst August und dessen zweiter Frau Ruth, seinen Schwestern Wiltrud und Gunhild, seiner Cousine Hildegard und ihrer Mutter Adelheid, sowie einigen weitläufigeren Verwandten aus dem Osten. Dazu kam das auch dem Wasserschlößchen Einquartierungen nicht erspart blieben. So wurde die ostpreußische Familie Bassun mit ca. acht Personen in dem Gebäude untergebracht. Das Schlößchen war also bis zur letzten Kammer gefüllt, worunter das Inventar stark gelitten haben soll.Der neue Besitzer Wulf wurde aber noch vor weitere Probleme gestellt, als er 1946 das Testament antrat. So hatte sich der Besitz durch Verkäufe und besonders durch Ausbezahlung jüngerer Geschwister erheblich verkleinert. Außerdem requirierten französische Besatzungssoldaten erhebliche Mengen Holz aus dem Marschallswald. Dazu kamen allgemeine Probleme mit der Währungsreform und den Lastenausgleichszahlungen. Besonders die erste Frau Wulfs, Ingborg, soll sich in dem alten Gemäuer, aufgrund der schlechten hygienischen Verhältnisse, äußerst unwohl gefühlt haben.Wulf war Bahnbediensteter und zog aus dienstlichen Gründen 1955 nach Mainz, was ihm nicht sonderlich schwergefallen sein soll. Von 1958 bis zum Verkauf waren die Wohnungen im Schlößchen vermietet und wurden von Herrn Kurt Löhr aus Lohrheim verwaltet. Von den Mieten soll nach seinen Berichten kaum etwas übrig geblieben sein, da fast wöchentlich Handwerker für Reparaturen bestellt werden mußten. Besonders das Dach, unter dem ganze Horden von Fledermäusen hausten, war sehr baufällig. Wie mir eine ehemalige Mieterin berichtete, waren zu dieser Zeit das Schloß und der Park für jedermann offen und dienten den Hahnstätter Kindern als wahrer Abemteuerspielplatz.Nach dem Verkauf des Heidebergs an die Gemeinde, erfolgte im Jahr 1958 der Verkauf des Waldes »Fuchsehöll« für ungefähr 700.000 DM an den Grafen Droste-Vischering aus Westfalen. 1969 endete die ca. 150 jährige Ära der Freiherren Marschall von Bieberstein mit dem Verkauf des mittlerweile sehr maroden Schlößchens an den Ingenieur Werner Kühn. Der Vertrag wurde am 2. Januar 1969 in Berlin unterzeichnet und für den heutigen Spottpreis von ca. 190.000 DM wechselte das Hahnstätter Wasserschlößchen samt Schloßpark den Besitzer. Ob die Hahnstätter Gemeinde sich auch um den Kauf des neben der Kirche ältesten Gebäude Hahnstättens bemühte, ist mir nicht bekannt, doch muß man sehen, daß damit eine jahrelange Belastungen des Gemeindehaushaltes durch Reparatur- und Renovierungsarbeiten verknüpft gewesen wären. Quellen:(10)H.Hst.W., Abt. 1097, C1