Malta und die EU-Kommission: Wie war das nochmal mit der EU-Dienstleistungsfreiheit?

Die Europäische Kommission hat sich entschieden, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta einzuleiten. Malta erkennt nämlich ausländische Urteile gegen Glücksspielfirmen nicht an – ein klarer Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Konkret geht es dabei um die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die regelt, wie Beschlüsse in Zivil- und Handelssachen innerhalb der Europäischen Union anerkannt und vollstreckt werden müssen. Die Kommission wirft Malta vor, dass sie ausländische Kläger systematisch daran hindert, rechtlich gegen maltesische Online Casinos vorzugehen. Dabei liegt der Kern des Problems darin, dass Malta den sogenannten „öffentlichen Ordnung“-Vorbehalt überstrapaziert. Die maltesischen Gerichte müssten nämlich ausländische Urteile anerkennen, verweigern dies aber mit dem Verweis auf ihre eigene Interpretation von „öffentlicher Ordnung“. Mit diesem Vergehen wird die Glücksspielbranche des Landes geschützt.

Die wirtschaftliche Bedeutung der Glücksspielbranche in Malta

Malta mag eine kleine Insel sein, aber ist alles andere als ein kleines Randthema, wenn es um das Thema Glücksspiel geht. Aktuelle Studien zeigen, dass die Branche rund 12 Prozent des maltesischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. Damit gehört sie zu den Säulen der nationalen Wirtschaft. Der Online Sektor bringt nicht nur hohen Umsatz, sondern schafft auch Arbeitsplätze. Mehr als 11.000 Menschen arbeiten in MGA-lizenzierten Firmen, die Mehrheit davon im Online Bereich. Werden die indirekten Effekte mitgerechnet, also Unternehmen, die Dienstleistungen für Casinos oder Online Gaming anbieten, so ist die Zahl der Beschäftigten deutlich höher.

Darüber hinaus macht Glücksspiel und Wetten in Malta fast die gesamte Sparte „Kunst, Unterhaltung und Freizeit“ aus. Nach den Eurostat-Daten generiert dieser Wirtschaftsbereich in Malta über 16 Prozent des gesamten Business-Ökonomiebereichs. Das ist ein außergewöhnlich hoher Wert, wenn er mit anderen EU Ländern verglichen wird.

Doch Malta könnte allerdings stärker als gewollt unter Druck geraten. Denn das Vertragsverletzungsverfahren, das die Europäische Kommission eingeleitet hat, könnte für nachhaltige Veränderungen sorgen.

Rechtslage und aktuelle Beschwerden

Das im Jahr 2023 verabschiedete Gesetz heißt Bill 55 und besagt, dass die maltesischen Gerichte ausdrücklich dazu angewiesen werden, ausländische Urteile gegen Glücksspielanbieter nicht zu vollstrecken. Laut der EU-Kommission und verschiedenen Klägern ist das ein direkter Widerspruch zum Primärrecht. Das macht der Europäischen Kommission natürlich Sorgen, denn EU Mitgliedstaaten sind nämlich dazu verpflichtet, Recht und Gesetz so umzusetzen, dass die Rechtsprechung aus anderen Mitgliedern anerkannt werden kann.

Aus Österreich und Deutschland sind bereits einige Klagen anhängig. Aufgrund der Tatsache, dass im Schweizer Ausland keine Anbieter mit internationaler Lizenz ihre Dienste anbieten können, gibt es von Seiten der Schweiz keine Klagen gegen Malta. Da die Schweiz auch nicht Teil der EU ist, gibt es keine EU Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Online Glücksspiels.

 

Die österreichischen bzw. deutschen Spieler haben vor den Gerichten Recht erhalten, Forderungen gegen maltesische Online Casinos geltend zu machen, doch in Malta weigern sich die Gerichte, diese Urteile zu übernehmen. Ein deutscher Anwalt hat darüber berichtet, es würde schon mehr als 200 Fälle geben, in denen maltesische Gerichte trotz klarer Urteile aus dem Ausland die Forderungen nicht anerkennen wollen.

Malta unter Zeitdruck

Mit dem offiziellen Aufforderungsschreiben der EU-Kommission wurde Malta nun aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten Stellung zu nehmen und die Vertragswidrigkeiten zu beseitigen. Wenn keine zufriedenstellende Antwort kommt, so drohen weitere Schritte bzw. könnte ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof eingeleitet werden. Aus politischer Sicht ist das natürlich alles sehr heikel. Premierminister Robert Abela argumentierte etwa dahingehend, Malta habe nicht gegen EU Recht verstoßen, sondern lediglich eine Regelung geschaffen, die mit der öffentlichen Ordnung vereinbar sei. Kritiker wollen jedoch einen Versuch erkennen, damit Verantwortung umgangen werden kann, sodass die profitable Branche geschützt wird.

Für die Konsumenten, die im Online Casino Geld verloren haben oder Forderungen geltend machen wollen, könnte der Ausgang des Verfahrens sehr wohl von enormer Bedeutung sein. Besteht Malta nämlich darauf, ausländische Urteile weiter nicht anzuerkennen, bleiben viele Spieler ohne Aussicht auf Rechtsdurchsetzung. Doch bei einem erfolgreichen Abschluss des Vertragsverletzungsverfahrens könnten die Betroffenen dann rückwirkend Unterstützung erhalten.

Ein Signal für die EU und den Markt

Der Streit zwischen Malta und der Europäischen Kommission ist am Ende doch weit mehr als ein lokales Problem. Hier geht es letztlich um ein Thema, das schon in mehreren Ländern aufgekommen ist bzw. noch in weiteren Ländern aufkommen kann: Welche Rolle spielt Rechtssicherheit im grenzüberschreitenden Online Geschäft und wie wird der Verbraucherschutz gehandhabt, wenn die wirtschaftlichen Interessen besonders stark sind?

Sollte Malta gezwungen sein, sein Gesetz zu ändern – möglicherweise mit Präzedenzwirkung -, könnte dies Auswirkungen auf andere EU Länder mit großen Glücksspielindustrien haben. Die aktuelle Entwicklung zeigt ganz klar auf, wie stark die Rechtsstaatlichkeit unter Druck geraten kann, wenn Regulierungen wirtschaftlich motiviert sind, aber die EU Standards unberücksichtigt lassen.