Höhlen und Höhlenforschung im Rhein-Lahn-Kreis

Bernd Pfanzelter, Höhlenkundliche Arbeitsgruppe Hessen, Frankfurt am Main.

Einleitung

Höhlen im Rhein-Lahn-Kreis? Vielen wird dabei lediglich die „Hanselmannshöhle“ bei Bad Ems in den Sinn kommen. Manche kennen gar noch die „Wildweiberhöhle“ bei Katzenelnbogen oder das „Lurleloch“ in der Loreley, beides kleine Hohlräume welche der Definition nach eigentlich gar nicht als echte Höhlen gewertet werden. Auch werden oftmals alte Bergwerksstollen in der Bevölkerung als Höhle bezeichnet.

Was der Rhein-Lahn-Kreis aus speläologischer (=höhlenkundlicher) Sicht zu bieten hat; was Höhlen und Höhlenforschung eigentlich sind und wie wertvoll Höhlen auf naturkundlichem und erdgeschichtlichem Gebiet sind, wird im folgenden Beitrag kurz darzustellen versucht. Angemerkt werden muss hierzu gleich im Vorfeld, dass es sich bei der Speläologie um ein äußerst komplexes Themengebiet handelt, welches an dieser Stelle lediglich „angerissen“ werden kann. Daher möge der Leser verzeihen, dass hier nicht alle Aspekte und Fachgebiete behandelt werden können.

Unbedingt erwähnenswert ist, dass Höhlen einen Geotop darstellen. Jede Höhle für sich ist einzigartig und kann aus naturkundlicher Sichtweise „Schätze“ beherbergen, welche dem unkundigen Besucher niemals bewusst werden. Neben archäologischen und paläonthologischen Befunden sind vor allem auch die botanischen, zoologischen, mikrobiologischen und geologischen Faktoren von Bedeutung. Zoologisch besonders erwähnenswert ist der Umstand, dass viele Höhlen während der Wintermonate von Fledermäusen frequentiert werden, in welchen die Tiere ihren Winterschlaf halten. Was vielerorts in der Öffentlichkeit noch unbekannt zu sein scheint ist, dass bereits das Betreten derartiger Quartiere im Winterhalbjahr strafbar ist.

Höhlenforschung und die Höhlenkundliche Arbeitsgruppe Hessen (HAGH)

Auf höhlenkundlichem Gebiet ist ganz Deutschland in Katastergebiete aufgeteilt. So wird der Rhein-Lahn-Kreis, ebenso wie alle weiteren rechtsrheinischen Bereiche von Rheinland-Pfalz, dem „Höhlenkataster Hessen“ zugerechnet. In diesem Kataster werden alle Unterlagen, Daten, Bildaufnahmen, Berichte, Untersuchungsergebnisse, Höhlenpläne und alles weitere Material zu Höhlen des Gebietes erfaßt und archiviert.

Neben Höhlen werden auch andere Karsterscheinungen wie Dolinen oder Erdfälle, Karstquellen, Ponore und auch künstliche Hohlräume wie etwa Bergwerksstollen und -Schächte, im Kataster aufgenommen. Als Höhle gelten jedoch nur auf natürliche Weise entstandene Hohlräume im Gestein, welche eine Mindestlänge von fünf Metern aufweisen müssen.

Vorwiegend betreibt die „Höhlenkundliche Arbeitsgruppe Hessen“ (kurz: HAGH) die Höhlenforschungen im Rhein-Lahn-Kreis. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sind sowohl in Hessen als auch in Rheinland-Pfalz ansässig und die Erfolge der letzten Jahre sprechen dabei für sich. Jede neu entdeckte Höhle wird von der HAGH dem Höhlenkataster gemeldet. Weiterhin ergehen alle Vermessungsunterlagen, Berichte und sonstige Materialien der Gruppe an das Kataster.

Die HAGH leistet sozusagen die Basisarbeit für die verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen. Die Gruppenmitglieder suchen neue Höhlen bzw. neue Höhlenbereiche in bereits bekannten Objekten. Die Höhlengänge werden untersucht und vermessungstechnisch exakt dokumentiert, was die Grundlage für die anschließende Erstellung entsprechender Höhlenpläne darstellt. Alle Gegebenheiten werden zudem auf Bildmaterial festgehalten, und die vielfältige Tierwelt der unterirdischen Lebensräume wird untersucht. Weitere Untersuchungen werden durch diese Arbeit ermöglicht und von der HAGH an Fachwissenschaftler übertragen.

Zwar ist derzeit die HAGH die einzige Gruppe, die ernsthafte Forschungsarbeit im Rhein-Lahn-Kreis betreibt, doch soll nicht unerwähnt bleiben, dass vereinzelt auch Höhlenbefahrungen durch andere Höhlenforscher stattfinden. Differenziert werden muss hierbei auch unbedingt, dass nicht jede Gestalt mit einem Helm auf dem Kopf gleich einen Höhlenforscher darstellt. Bereits vor über dreißig Jahren wurden einzelne Höhlen von neugierigen, mehr oder minder befähigten Freizeithöhlengängern besucht. Darunter sind leider auch immer wieder einmal schwarze Schafe anzutreffen. Somit ist die HAGH gezwungen, einzelne, besonders gefährdete Objekte zu verschließen, um diese auch in Zukunft unversehrt zu erhalten.

Höhlen

Insgesamt sind derzeitig über 70 Höhlen im Rhein-Lahn-Kreis bekannt und zum großen Teil bearbeitet worden. Abgesehen von einzelnen Ausnahmen handelt es sich bei diesen Höhlen um Karsthöhlen. Das heißt, diese Höhlen finden sich in den devonischen Massenkalken (Riffkalk) entlang des Lahntales, genauer in der Lahnmulde und der Hahnstätter Mulde.

Vor rund 360 Millionen Jahren entstanden in einem zu diesem Zeitpunkt dem Äquator nahen Meer Stromatoporen- und Korallenriffe. Nach Entwässerung der im Laufe der Jahrmillionen angesammelten Gesteinsstapel setzte vor 325 bis 305 Millionen Jahren die varistische Gebirgsbildung ein. Durch die Kollision zweier Erdkrustenplatten gerieten die Gesteinsformationen zudem unter seitlichen Druck. Der Gesteinsstapel zerbrach, und es entstanden Gesteinsschollen von bis zu mehreren hundert Metern Dicke. Die unterschiedlichen Schollen wurden übereinander geschoben, und im Anschluss hob sich das Gebirge immer weiter über den Meeresspiegel hinauf. Bei den heutigen, verkarsteten Kalkgesteinen handelt es sich demnach um die Ablagerungen von Lagunen, das heißt: um Schollen eines ehemaligen Riffs.

Derartige Riffkalke finden sich vorwiegend im Kreis von Katzenelnbogen über Allendorf, Mudershausen, Hohlenfels, Hahnstätten, Schaumburg, Birlenbach, Fachingen, Heistenbach, Diez, Altendiez, Aull und Gückingen.

Neben den geologischen Grundvoraussetzungen sagen auch topographische Bezeichnungen oftmals einiges über den verkarsteten Untergrund aus. So heißt der Felskopf nahe Zollhaus nicht ohne Grund „Hohlenfels“, denn dieser Kalksteinfelsen wird gleich von mehreren Höhlen durchzogen. Auch die Bezeichnung Lay oder Lei zeugte in früheren Zeiten von verkarsteten Kalksteinklippen, so etwa die Wildweiberlei bei Altendiez oder die Hohelei bei Hohlenfels. Leider sind die Höhlen in genannten Felsformationen bereits in frühen Zeiten durch den Kalksteinabbau völlig zerstört worden.

Die „Wildweiberlei“ bei Altendiez

Der Beginn ernsthafter, speläologischer Forschungen im Rhein-Lahn-Kreis ist auf das Jahr 1910 zu datieren. Bei Altendiez, an der Stelle, an der sich heute ein karger Steinbruch mit einem Badesee befindet, erhob sich damals noch ein gewaltiger, mehrere Dutzend Meter hoher Felsrücken aus Kalkgestein, welcher steil zur Lahn hin abfiel. In diesem erstreckten sich drei Durchgangshöhlen.

Bereits 1910 befuhr (speläolog. Bezeichnung für Höhlen-„Begehung“) Hans Karl Becker, der Vorsitzende vom Verein für Höhlenkunde in Frankfurt am Main e.V., die zwei bedeutenderen Höhlen der Wildweiberlei. 1920 erreichte der Kalksteinabbau bereits fast die als Wildweiberlei Höhle 1 und Höhle 2 bezeichneten Höhlen, welche aufgrund Ihrer Lage von vorgeschichtlicher Bedeutung waren. Im gleichen Jahr fanden durch Heck und Kutsch Grabungen in den Wildweiberleihöhlen statt. Hierbei konnten Brandschichten mit latènezeitlicher Keramik, Steinartefakte und fossile Knochen geborgen werden. Weitere Grabungen konnten nicht mehr stattfinden, da die Höhlen bereits ein Jahr darauf abgebaut wurden.

Die Höhle „Schlucht“ und der „Fichtennadelponor“

Erst Mitte der 70er Jahre begannen Höhlenforscher ihre Arbeit im Kreis. Mitglieder der späteren HFG-Rhein-Main untersuchten die bereits in der Bevölkerung längere Zeit bekannte Höhle „Schlucht“. In den Jahren 1983 und 1984 wurde die „Schlucht“ durch die Gruppe auf 349 Meter Gesamtlänge vermessen. Auch in nachfolgenden Jahren konnten immer wieder kleinere Teile in der Höhle entdeckt werden, womit die „Schlucht“ lange Zeit die längste Höhle im Rhein-Lahn-Kreis darstellte. Heute weist die „Schlucht“ eine Gesamtlänge von etwas über 500 Meter auf.

Im Frühjahr 1997 wurde der maßgebliche Teil der „Schlucht“, im Auftrag des Landesamtes für Denkmalpflege, durch die HAGH verschlossen. Dies begründet sich in mehreren Schutzfaktoren. So nahmen die unkontrollierbaren, touristischen Besuche in der Höhle immer weiter zu, worunter sowohl das Gesamterscheinungsbild der Höhle, als auch der Sinterkleinformen sehr litt. Zudem wurden immer wieder Zerstörungen an Höhlenwänden und Inventar bemerkt. Weiterhin findet sich in einem Höhlenteil ein Fledermausfriedhof mit den Überresten tausender Exemplare. Diese Fundschicht wurde durch unaufmerksame Besucher fast völlig zerstört. Aber auch mikrobiologische Bioszenösen wurden geschädigt und der Fledermausschutz während der Wintermonate nicht beachtet. So blieb in diesem Fall leider nur eine Sicherung der entsprechenden Bereiche.

Doch zurück zu den Aktivitäten früherer Forscher. Neben den Forschungen in der „Schlucht“ wurden viele der kleineren Höhlen im Kreis durch die HFG Rhein-Main bearbeitet. Jedoch blieben all diese Höhlen unter der Längenmarke von 50 Metern, wie etwa die kleinen, wenige Meter langen Spaltenhöhlen und Höhlenruinen um den Hohlenfels.

1990 tätigten Kollegen der „Speläologischen Arbeitsgemeinschaft Hessen e.V. mit der Höhle „Fichtennadelponor“ wieder eine größere Entdeckung. In dieser Höhle gelang später der HAGH die Erkundung der größten Räumlichkeit der Höhle. Hierdurch erreichte der „Fichtennadelponor“ eine dokumentierte Länge von immerhin 193 Metern.

Jüngste Forschungen

Ab etwa dem Jahr 1992 fanden vereinzelte Aktivitäten der „Höhlenfreunde Rheingau-Taunus“ im Rhein-Lahn-Kreis statt, welchen große Entdeckungen leider unvergönnt blieben. Seit dem gleichen Jahr betätigten sich auch spätere HAGH-Mitglieder mit Forschungen im Kreis. Begonnen wurde mit Vermessungsarbeiten diverser Kleinhöhlen und Forschungen in der „Lanzekaut, gemeinsam mit Mitgliedern HFG Rhein-Main.“.

1993 konnten durch die späteren HAGH-ler C.Kudraß und B.Pfanzelter mehrere Objekte im „Emser Ofen“, einem aufgelassenen Kalksteinbruch bei Hahnstätten, entdeckt werden. Deren Erforschung wurde durch die freundliche Genehmigung des damaligen Eigentümers möglich (s. hierzu auch Literatur-Verzeichnis!).

Ein Jahr später gelang B. + Y. Pfanzelter nach Betretungserlaubnis durch die Werkleitung die Entdeckung des „Schwangerlochs“ im Schaefer-Kalkwerk Hahnstätten. Diese bedeutende Höhle konnte bisher leider nur auf 250 Meter Länge, bei einer Tiefenerstreckung von 55 Metern erkundet werden, bevor die weitere Forschung durch die Geschäftsleitung untersagt wurde. Weitere vorhandene und teils großräumige Fortsetzungen in der Höhle konnten somit bisher leider nicht mehr erforscht werden.

1995 wurde durch die HAGH die „Seelilienhöhle“ entdeckt und erforscht. Die „Seelilienhöhle“ ist mit 83 Metern dokumentierter Länge die längste Höhle im „Emser Ofen“, gefolgt von der 53 Meter langen „Höhle 1 + 2“, welche gleichfalls bearbeitet wurde.

Im Jahr 1997 konnte durch die HAGH der größte Raum im „Fichtennadelponor“ entdeckt werden. Höhepunkt des Jahres stellte aber die Entdeckung und Erforschung der „Meißelhöhle dar, die noch im gleichen Jahr vermessen wurde. Die Höhle weist eine Länge von 253,5 Metern auf und war zum Zeitpunkt der Entdeckung die zweitlängste Höhle im Rhein-Lahn-Kreis.

Ende des Jahres gelang der HAGH zudem ein Durchbruch in der „Lanzekaut“-Forschung. In der bisher 25 Meter langen Höhle bei Hahnstätten gelang es, eine Engstelle aufzuwältigen und somit die Gesamtlänge der Schachthöhle auf 65 Meter zu erhöhen. Die Höhlenvermessung erfolgte 1998.

Die längste und tiefste Höhle von Rheinland-Pfalz

Nach Jahren intensiver Forschungen im Rhein-Lahn-Kreis und doch auch schon bemerkenswerten Erfolgen in den Vorjahren, gelang erst 1999 der bisher größte höhlenkundliche Erfolg im Kreis mit der Entdeckung der „Nebelhöhle“ durch die HAGH.

Mit für den Rhein-Lahn-Kreis untypisch geräumigen Gangdimensionen, stellt die „Nebelhöhle“ eine Besonderheit dar. Gegenüber den üblichen Krabbelspalten der bisher bekannten Höhlen ist die fast durchweg aufrechte Fortbewegungsart in der „Nebelhöhle“ geradezu ungewohnt. Die Höhle stellt mit über einem halben Kilometer Ganglänge die längste Höhle von ganz Rheinland-Pfalz dar. Zudem ist sie mit fast genau 80 Metern Tiefe auch zugleich tiefste Höhle des Bundeslandes. Weitere Besonderheiten sind die Kristallbildungen und großflächigen Perl-, und Knöpfchensinter in der Höhle, welche Vergleichen mit der bekannten „Kubacher Kristallhöhle“ standhalten. Die Höhle ist seitens der HAGH gleich mit mehreren Verschlüssen und zudem durch Alarm gesichert, was aus Gründen des Höhlenschutzes erforderlich ist. Die Forschungsarbeiten in der Höhle sind derzeit noch nicht abgeschlossen.

Der jüngste, größere Erfolg in der Forschung im Rhein-Lahn-Kreis gelang der HAGH erst kürzlich. Abermals konnte eine große, nie zuvor von Menschen betretene Höhle entdeckt werden. Der Charakter dieser Höhle unterscheidet sich auch diesmal völlig von allen bisher bekannten Objekten im Kreis. Das auf „Bismarckhöhle“ getaufte Objekt weist nach drei bisher durchgeführten Forschungstagen eine Länge von über 300 Meter auf. Weitere Forschungen in der „Bismarckhöhle“ stehen noch an, werden jedoch erst nach Abschluß der Vermessung der „Nebelhöhle“ intensiviert werden können.

Nach heutigen Stand (01.02.2001) liegen somit sechs der zehn längsten Höhlen des Höhlenkataster Hessen im Rhein-Lahn-Kreis. 4 dieser 6 Höhlen wurden erst in den letzten Jahren durch Mitarbeiter der HAGH entdeckt und erforscht.

Liste der 10 längsten Höhlen des Höhlenkataster Hessen

(Stand vom 01.02.2001)

1 Herbstlabyrinth-Adventhöhle-System ca. 3500 m.

2 Erdbachhöhle / Schwinde C ca. 1850 m.

3 Nebelhöhle (RLK) ca. 560 m.

4 Schlucht (RLK) ca. 530 m.

5 Bismarckhöhle (RLK) ca. 300 m.

6 Meißelhöhle (RLK) 253,5 m.

7 Schwangerloch (RLK) ca. 250 m.

8 Witzenhausener Höhle 220 m.

9 Fichtennadelponor (RLK) 193 m.

10 Kubacher Kristallhöhle 170 m.

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Vorgeschichtliches

In Bezug auf die Vorgeschichte wurde bereits im Vorangegangenen die „Wildweiberlei“ bei Altendiez angeführt. Oftmals boten sich gerade Höhlen als frühgeschichtliche Siedlungsplätze bzw. für kultische Handlungen unserer Vorfahren an. Einzig aus der „Wildweiberlei“ sind aus Höhlen im Kreis bisher bedeutende vorgeschichtliche Funde getätigt worden. Nach Gerhard Bosinski bilden diese, zusammen mit den Höhlenfunden bei Steeden an der Lahn, die Lahntalgruppe des rheinischen Magdaleniens. Auch paläonthologische Befunde (Elfenbeinstücke, Ren, Wildpferd, Hase, Schneehuhn) wurden in der „Wildweiberlei“ getätigt.

Auch aus einer, bereits vor langer Zeit dem Kalksteinabbau zum Opfer gefallenen Karstspalte an der „Hohelei“ bei Hohlenfels wurden entsprechende paläonthologische Untersuchungen getätigt.

Einzige jüngere Entdeckung, welche jedoch mangels bisheriger Ergebnisse nicht eingeordnet werden kann, sind Funde aus einer kleinen Karsthöhle bei Birlenbach. Dabei handelt es sich um drei Schädelfragmente des Homo sapiens sapiens (neuzeitl. Mensch), deren Alter theoretisch bis zu 40 000 Jahre betragen könnte. Bisher fand jedoch nur eine anthropologische Begutachtung der Befunde statt.

Höhlen als Lebensraum

Die Höhlen im Rhein-Lahn-Kreis sind aufgrund ihrer extremen Lebensbedingungen (Dunkelheit, hohe Luftfeuchtigkeit, ganzjährig konstante Temperatur von 6 – 8 ° Celsius, usw.) einzigartige Biotope für Flora und Fauna.

Neben der Flora der Höhleneingangs- und Übergangsregionen (spez.: Moose, Farne, Flechten, Algen, Pilze usw.) nutzen und leben vor allem Dutzende von Tierarten in diesem Lebensraum. Viele Tierarten sind an das ausschließliche Leben in ewiger Dunkelheit angepasst. Dabei besteht die Fauna oftmals aus derart winzigen Lebewesen, dass diese Besuchern mit ungeübtem Blick häufig nicht zu Augen kommen.

Man unterscheidet dabei zwischen reinen „Zufallsgästen“ (Tiere, die ohne zielgerichtete Absicht in eine Höhle geraten) und „höhlenliebender“ Fauna, sowie „echten Höhlentieren“ (welche ausschließlich in Höhlen leben und nur dort überleben können).

Die „höhlenliebenden Tiere“ sehen Besucher zumeist zuerst. Am Bekanntesten sind dabei sicherlich die Fledermäuse, welche zum Teil in Höhlen ihren Winterschlaf halten. Als größere Säuger sind noch Fuchs und Dachs zu nennen, sowie verschiedene Kleinsäuger wie Siebenschläfer und Mäuse. Auch Amphibien suchen gezielt Höhlen auf, so etwa Frösche, Kröten, Feuersalamander und Molche.

Fast in jeder Höhle stößt man auf das verbreitetste Höhlentier, die Höhlenspinne Meta menardi. Diese ist aufgrund ihrer Größe schnell zu erkennen und unterscheidet sich leicht von einigen weiteren Spinnenarten, die in Höhlen anzutreffen sind.

Sehr häufig sind auch Falter und Schmetterlinge, (Wegdornspanner, Zackeneule, Tagpfauenauge, kleiner Fuchs, usw.), Zweiflügler (Stechmücken, Pilzmücken, Rheinschnaken u.a.) und Hundertfüßer, Schnecken, Asseln und Saftkugler (um nur einige zu nennen) anzutreffen. Weniger schnell zu entdecken sind winzige Tiere, wie etwa Springschwänze (Collembolen), welche teils auch in ewiger Dunkelheit in den Tiefen der Höhlen leben.

Echte Höhlentiere sind zumeist pigmentlos und besitzen keine Augen. Oftmals handelt es sich dabei um Niphargen (Grundwasserkrebse), Wasserasseln, Einzeller und ähnlich unscheinbare und kaum zu entdeckende Tiere.

Ein Betätigungsfeld der HAGH liegt somit auch in der Untersuchung und Erfassung der Höhlentiere und Lebensgemeinschaften im Rhein-Lahn-Kreis. Sämtliche nachgewiesene Tierarten werden dabei in einem speziellen Kataster erfaßt, von welchem aus Proben an Fachwissenschaftler zur Bestimmung weitergereicht werden. Gerade auf diesem Gebiet gelingen auch heute noch Erstnachweise bzw. werden zuvor unbekannte Tiere entdeckt.

Neben der reinen Untersuchung und Erfassung von Fauna und Flora befaßt sich die sogenannte Biospeläologie mit weiteren Gesichtspunkten: Der jahreszeitlich bedingten Frequentierung von Höhlen einzelner Tierarten oder geographischen Verbreitungsgebieten einzelner Arten.

Ähnlich wie Fledermäuse Höhlen überwiegend während der Wintermonate besiedeln, existieren viele weitere Tierarten, welche Höhlen während bestimmter Lebenszyklen bzw. zu bestimmten Jahreszeiten aufsuchen.

Schmetterlinge, wie etwa das bekannte Tagpfauenauge, suchen vor allem während heißer Phasen im Sommer Höhlen auf, um so den hohen Außentemperaturen zu entgehen. Zackeneulen und Wegdornspanner bevorzugen vor allem das Winterhalbjahr für Höhlenbesuche. Auch Rheinschnaken finden sich während des Sommers in Höhlen. Je höher dabei die Außentemperatur, desto mehr Individuen dieser Tierart finden sich in Höhlen. Oftmals bevölkern Rheinschnaken zu Tausenden die Höhlenwände, und bei einer Störung erscheint es dem Besucher, als ob die Höhlenwand leben würde, so sehr bewegen sich die Flügel der an den Wänden aufsitzenden Tiere.

Durch Untersuchungen, gerade auch der HAGH, wurden hunderte von Einzelnachweisen an Höhlentieren aus dem Rhein-Lahn-Kreis getätigt. So wurden, um kurz einige Beispiele zu benennen, in der Höhle „Schlucht“ bisher fast 50 verschiedene Tierarten nachgewiesen. In der „Lanzekaut“ sind es immerhin noch an die 40 und auch in weiteren Höhlen des Kreisgebietes wurden bis zu 30 Tierarten festgestellt.

Höhlenschutz

Der Schutz von Höhlen und Karsterscheinungen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Höhlenforschung. Leider unterliegen Höhlen immer wieder den verschiedensten Gefahrenfaktoren. Sei es durch Zerstörung uneinsichtiger und skrupelloser Mineralienjäger, durch die mutwillige Zerstörungswut von Vandalen oder auch nur durch die Unachtsamkeit und Unwissenheit unkundiger Besucher. Auch das Naturschutzgesetz allein verhindert z.B. nicht Störungen winterschlafender Fledermäuse durch „Touristen“, welche größtenteils noch nicht einmal wissen, dass sie sich dabei strafbar machen.

Um dem entgegen zu wirken, ist ein gewisses Maß an Öffentlichkeitsarbeit unabdingbar. In Einzelfällen ist der Schutz und unversehrte Erhalt einer Höhle jedoch nur durch kontrollierte und reglementierte Befahrungen bzw. durch die Sicherung von Eingängen oder Höhlenbereichen möglich. So wird die Lage besonders schutzwürdiger Höhlen nicht preisgegeben, bzw. werden Schutztore und Gitter an schützenswerten und stark frequentierten Höhlen angebracht. Im Rhein-Lahn-Kreis wurden daher die bedeutendsten Höhlen von der HAGH verschlossen.

Bei allen Fragen zum Thema können sich Interessierte gerne direkt an die Höhlenkundliche Arbeitsgruppe – Hessen wenden. Nähere Informationen, oder auch den nächstgelegenen Ansprechpartner der HAGH.

Literatur

B o s i n s k i, Gerhard, Höhle Wildweiberlei; in Arora, S. et al.: Alt- und Mittelsteinzeitliche Fundplätze des Rheinlandes – Kunst und Altertum am Rhein, 81, Bonn, (1978), S. 126 – 128.

HAGH-Hessen-Info, versch. Autoren, aktuelle Berichte und Forschungsergebnisse, (4 Ausgaben jährlich seit 1997), Frankfurt am Main, je ca. 32 Seiten.

Karst und Höhle 1984/85, Beiträge zur Karst und Höhlenforschung in Hessen, Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., München, (1985), 311 Seiten.

P f a n z e l t e r, Bernd, Die Lanzekaut – Eine Karsthöhle bei Hahnstätten, Hahnstätter Marktheft 1998, Diez, (1998), 3 Fotos, 1 Höhlenplan.

P f a n z e l t e r, Bernd, Der Emser Ofen – Höhlen und Karsterscheinungen im alten Kalksteuinbruch am Pitzberg / Hahnstätten / Rheinland-Pfalz, Sonderheft der Höhlenkundlichen Arbeitsgruppe Hessen, Eigenverlag (bezug über HAGH), Frankfurt am Main, (2000), 35 Seiten, 28 Fotos, 8 Höhlenpläne, 2 Abb.

P f a n z e l t e r, Bernd und S t e i n, Gerhard, Die Meißelhöhle bei Zollhaus; Mitteilungen des Verbandes der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V., Nr. 1/99; München, (1999), S. 16-19, 2 Fotos, 2 Pläne